034 FdMK 8: Von Soldatengräbern bleiben nur Sommergräser
In dieser Mauskiste geht es ausnahmsweise mal um ein reines Spielerlebnis im Rollenspiel: Horizon Zero Dawn. Ich sollte erst erklären, worum es bei Horizon Zero Dawn eigentlich geht, sonst wird nicht die komplette Tiefe dieses Satzes klar.
In einer nicht allzu fernen Zukunft baut ein Konzern unter Leitung von Ted Faro Kampfroboter. Sie sind KI-gesteuert, werden mit Biomasse betrieben und können sich selbst vermehren. Ja, ihr dürft schreien! So DUMM... leider auch so menschlich.
Die letzte Idee, bevor alles untergeht: eine KI namens GAIA, die NACH dem vollständigen Auslöschen der Biosphäre ein neues Ökosystem aufbauen soll. Die Menschheit opfert sich komplett und sie wissen nicht mal von der Idee GAIA. Damit dieses System starten kann, stirbt buchstäblich alles Leben auf der Erde. Nicht Millionen. Nicht Milliarden. Alle und alles!
Das Spiel startet ohne dieses Wissen in der "neuen Welt".
Man später sogenannte Metallblumen sammeln. Kleine Objekte, die irgendwo in der Landschaft wachsen. Typische Sammelquest. Kein Bossgegner, keine große Belohnung, aber ich bin Achievementhunter, gute Spiele werden auf 100 % gezockt. In jeder steckt ein Text. Und einer davon lautet:
„Von Soldatengräbern bleiben nur Sommergräser."
Es soll von GAIA geschrieben sein, ich weiß nicht ob man 2017 K.I. schon Gedichte schreiben lassen konnte, oder ob ein Mensch der Schöpfer dieser einen Zeile war, aber dieser eine Satz – hat mich getroffen, mit Wucht.
Weil es so ist, wir sind nicht mehr, wir werden Kompost, etwas neues entsteht. Wir sind Teil des Kreislaufs.
Weil darin steckt, was da passiert ist, was das gekostet hat. Und was bleibt. Vielleicht ist es Reue, vielleicht ist es einfach nur eine Feststellung. Vielleicht ist es sogar der Versuch, es schön klingen zu lassen. Es bleibt brutal und schön. Keine Helden, keine Namen, nur Gras. NUR Gras? Leute, alles war tot! Alles!
Wir Menschen haben das in dieser Geschichte ausgelöst, wir waren schuld und wir sind dafür gestorben, ALLE - dafür, dass hier Gras wächst. Das lese ich auch darin.
Und die K.I. ist irgendwie auch schuld. Die eine an der Auslöschung und für die andere, also für Gaias Existenz ist alles gestorben. Auch das lese ich darin.
Horizon Zero Dawn ist keine Apokalypse-Fantasie, in der die Menschheit geläutert aus den Trümmern steigt. Es ist ein Spiel, das mit einer brutalen Ehrlichkeit zeigt, was Menschen bleiben, wenn alles Wissen gelöscht und alle Strukturen zerstört wurden: einfach Menschen. Die neuen Gesellschaften sind keine edlen Wilden, sie sind harte Gemeinschaften, geformt von Mangel und Angst. Die Nora verbannen ihre eigenen Kinder für kleinste Vergehen. Die Carja führen Rote Raubzüge durch und opfern Menschen im Namen ihrer Sonne. Die Banuk setzen Verbrecher nackt und ohne Waffen auf Gletschern aus, weil sie Überleben als alleinige Messlatte für Wert betrachten. Härte macht keine besseren Menschen. Härte macht nur härtere Menschen.
Und genau in dieser Welt wächst ein Satz wie ein Schlag ins Gesicht: „Von Soldatengräbern bleiben nur Sommergräser." Kein Pathos, kein Trost, keine Namen. Nur Gras. Wir haben uns selbst ausgelöscht, alles geopfert – und am Ende wächst dort eben dieses Gras. Vielleicht ist es Reue, vielleicht bloß eine Feststellung. Vielleicht ist es sogar der Versuch, es schön klingen zu lassen. Aber es bleibt die nüchterne Wahrheit einer Welt, die keinen Heldenmut kennt, sondern nur Kreisläufe.
Und genau das ist der Trost. Nicht die Menschheit. Nicht die Gesellschaft. Sondern der einfache, radikale Gedanke, dass wir alle Teil dieses Systems sind. Wir vergehen, wir werden Kompost, unsere Atome werden zu Erde, zu Wasser, zu Gras. Und das genügt. Wir sind Teil von etwas Riesigem – der Erde, der Biosphäre, dem großen Ganzen.
Doch zeigt es auch wieder mal härtere Lebensbedingungen machen keine besseren Menschen. Sie lassen den Menschen in den Überlebensmodus fallen. Das heißt nicht, dass die Welt verloren ist. Das heißt nur, diese Welt beginnt, wie unsere begann. Aber für diese Welt, für diesen Anfang, sind die Soldaten gestorben. Und alle anderen auch. Und alles andere auch.
Und trotzdem ist da auch etwas Tröstliches drin. Ich glaube nicht an eine Seele. Aber ich glaube, dass wir immer Teil des Ganzen sind. Ob als Atome, die schon uralt sind, oder als Kompost. Als Einfluss auf eine Wolke, die von Italien nach Oberammergau zieht. (siehe FdMK 6.2: Ich hab ne Wolke gestreichelt).
Es genügt, ein sterblicher Mensch zu sein, ein Teil der Biosphäre, ein Teil der Welt, ganz buchstäblich. Das ist unglaublich viel.
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