032 - Bühne ist mein Ort zum Senden
Bühne – obwohl ich Angst habe
Ich bin extrovertiert, da gibt es keine zwei Meinungen. Ich rede gern, ich rede viel, und ich rede am liebsten, wenn ich weiß, dass mir jemand zuhört. Dieses Bedürfnis ist nicht klein. Es ist riesig. Es ist immer im Defizit bei mir und wie das bei Defiziten so ist: Wenn man sie nicht ignorieren kann, sucht man sich Strategien. Meine war radikal einfach. Jede Bühne, jedes Mikrofon, jede offene Einladung, mich mitzuteilen – ich bin drauf. Schon als kleines Kind und ganz buchstäblich: meine Schwester sollte ans Mikro, ich ging hin. Theater, Gedichtvorträge, Referate, ich hab mich immer gemeldet. Später dann Streaming, Social Media. Wenn man mir sagt, ich darf sprechen, dann spreche ich.
Dabei habe ich jedes Mal Angst. Nicht so ein bisschen Auftrittslampenfieber, sondern echte Angst davor, ausgelacht zu werden, Angst dass alle denken, ich wäre dumm, dass ich mich blamiere und hinterher kommt die Scham – quasi immer. Mein innerer Richter, dieses altgediente Miststück, zerlegt mich in kleinste Teile – heute nicht mehr ganz so zerstörerisch wie früher, aber zuverlässig und gründlich. Früher reichte ein „Hallo" an den Busfahrer und ich war stundenlang im inneren Gerichtssaal. Heute zerlegt er halt, was ich im Stream gesagt habe. Ich habe gelernt, damit zu leben, da es wohl nie ganz weggeht.
Ein bisschen wurde es besser, dank Pete. Nicht weil er mir irgendwie geholfen hätte, sondern weil er mich durch seine Kälte gezwungen hat, selbst sicherer zu werden. Ich hatte keine Wahl. Der Richter ist nicht schwächer, aber manchmal steht er jetzt auf meiner Seite. Das ist neu. Und das war dringend nötig, denn Bühne ist kein Spiel für Zaghafte, schon gar nicht, wenn man so viel Angst hat wie ich. Aber ich habe eben auch dieses Bedürfnis – ich will senden. Ich will nicht nur reden, ich will gehört werden. Ich will, dass jemand zuhört. Wirklich zuhört. So wie ich es im anderen Text beschrieben habe: interessiert, zugewandt, mit Rückfragen. Das ist selten. Vielleicht zu selten.
Viele sagen mir, ich könne gut zuhören. Das ist nett gemeint, und es stimmt ja auch, aber das habe ich gelernt. Das ist nicht die Seite, auf der ich wahrgenommen werden will. Ich will senden. Ich will, dass andere sagen: „Du kannst gut reden." Also rede ich auf jeder Bühne, die ich finde. Schreiben ist auch Bühne, deshalb schreibe ich überall, wo ich darf. Wenn ich es ein paar Tage nicht tue, werde ich unruhig. Die Bühne fehlt. Die Reibung fehlt. Sogar Gegenwind ist besser als kein Wind. Ich hasse Gegenwind – wer nicht – aber die totale Stille, die ist schlimmer. Reddit zum Beispiel. Diese lautlose Ablehnung. Ignorieren, oder gleich mit Automod bannen statt Widerspruch. Das hält mein System nicht gut aus. Dann lieber ein ordentlicher Flame auf TikTok oder Threads.
Joy war hart. Da wurde ich weggeflamed – ich war da dafür noch nicht stabil genug. Man entblößt sich da nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. Und wenn dann die Trolle kommen, trifft es doppelt. Joy hätte ein besseres Schutzsystem gebraucht, hat es nicht. Ich bin dann gegangen. Egal wie groß meine Sucht nach Bühne ist, zerstören soll sie mich nicht. Auch wenn ich Joy-Streams manchmal vermisse.
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